Ein alltägliches Medium, bekannt, akzeptiert und aus unserer Populärkultur genausowenig wegzudenken wie Smartphones und Social Media. Aber war es immer so? Nein. In meiner Kindheit waren Comics im deutschen Sprachraum verpönt, man rümpfte die Nase. Comics machen dumm. Comics machen gewalttätig. Comics sind Volksverblödung. So und ähnlich hiess es in den 1970er Jahren. Und trotzdem ist aus dem Knirps von damals ein ganz gewöhnlicher, nicht gewalttätiger und gebildeter erwachsener Captain Collector geworden. Soviel also zur Volksverblödung. Spider-Man, die Avengers und andere Superhelden, die ich regelrecht verschlang, haben mich nicht verdummt.
Meine Erfahrung zeigte mir genau das Gegenteil. Durch das Lesen von Comics schulte ich nicht nur meine Deutschkenntnisse, ich schulte auch mein Auge durch die einander folgenden Panels (Einzelbilder). Jedes Panel in einem Comic ist eine Momentaufnahme, die Grenzen zwischen den Panels sind wie Schnitte im Film. Was zwischen zwei aufeinanderfolgenden Bildern im Comic geschieht, muss sich der Leser automatisch hinzudenken. Da helfen natürlich die Sprechblasen und ein gekonnter Erzählstil des Comiczeichners.
Noch etwas Interessantes am Rande bemerkt: trotz (oder vielleicht gerade wegen?) intensiven Comiclesens war ich mit ca. 12 Jahren Klassenbester sowohl in Orthographie als auch in Grammatik in der Grundschule. Dazu müsst Ihr wissen, dass ich 1970 als Zehnjähriger in die Schweiz kam, bar jeglicher Deutschkenntnisse. Tja, soviel zur Volksverblödung durch Comics.
Was genau ist ein Comic?
Blöde Frage, mag sich jetzt so mancher denken, doch bei genauerer Betrachtung eben doch nicht. Wie würdet Ihr die Frage denn beantworten? Und „blöde Frage“ gilt nicht als Antwort. Vermutlich ist die Erklärung so simpel, dass man sich genau deshalb so schwer damit tut.
Comics sind sequentielle (aufeinanderfolgende) Bilder mit oder ohne Begleittext, die nacheinander angeschaut/gelesen eine Geschichte ergeben. Damit haben wir die Abgrenzung zum Cartoon bereits gemacht, weil der Cartoon bekanntlich aus einer einzelnen Zeichnung besteht (wieder mit oder ohne Text) und ganz allein für eine Geschichte (mit einer Pointe) steht. Ein einfacher Comic kann schon aus drei aufeinanderfolgenden Panels bestehen, wie zum Beispiel die oft ohne Worte auskommenden Garfield Zeitungsstrips.
Vollkommen klar, oder? Jetzt wissen wir also, was ein Comic ist. Aber wieso fasziniert dieses Medium so viele? Was macht den Reiz eines Comics aus? Das können ganz unterschiedliche Dinge sein. Vielleicht ist eine Geschichte super gut gezeichnet. Vielleicht ist sie auch sehr humorvoll geschrieben. Vielleicht ist es ein bestimmtes Genre, das uns anspricht: ein Krimi, eine Gruselgeschichte oder ein Abenteuerepos. Vielleicht wollen wir auch nur eine Menge Spass haben und gönnen uns einige Dutzend von Garfields meist ironischen Dreibildnern. Oder wir wollen den tollpatschigen Donald Duck auf die Nase fallen sehen, um unsere schadenfrohe Ader zu befriedigen. Ihr seht schon, es kommt da sehr auf den Geschmack an.
Ich könnte jetzt endlos weiterdozieren und Euch in den Schlaf lullen, deshalb mache ich’s kurz und versuche eine geradlinige, vereinfachte Unterteilung vorzunehmen, die heute problemlos anwendbar ist. Bleibt also bitte noch wach, dann lernt Ihr vielleicht etwas über Comics, das Ihr noch nicht gewusst habt.
Wie alt sind Comics?
Comics im eigentlich Sinn gibt es etwa seit 100 Jahren. Grundsätzlich kann man sie in zwei Kategorien unterscheiden: Comics und Comic Strips. Und wo ist da bitteschön der Unterschied??? Comics sind Originalgeschichten, die nicht in einzelnen Streifen (Strips) in Zeitungen veröffentlicht worden sind. Sie sind direkt als Comics zur Welt gekommen und Ihr konntet sie am Kiosk, in Buchhandlungen oder in Comic Shops kaufen. Die Comic Strips aber sind in den Zeitungen geboren und wurden erst später in gesammelter Form (als Comics) herausgegeben. Unser guter alter fetter Garfield ist ein solcher Comic Strip, der später auch als Comic erschien.
Diese Unterscheidung ist ja schön und gut, aber letztendlich nur von akademischem oder historischem Interesse. Spannender ist dann schon eher die Unterscheidung in die verschiedenene Arten und Genres. Da gibt es wieder zwei Hauptunterteilungen: die Funnies (abgeleitet von Funny Animals) und die realistischen Comics. Typische Funnies sind Fix und Foxi, Micky Maus, Donald Duck, etc. Alles andere, das „realistisch“ gezeichnet ist, gehört in die andere Kategorie. Natürlich sind die Grenzen fliessend, und es gibt alle Arten von Mischformen. Ein realistischer Comic ist zum Beispiel Rick Masters oder Leutenant Blueberry. Spirou und Fantasio tendieren eher zu den Funnies, da sie aber Menschen sind, wurde der Begriff Semi Funnies (also Halb Funnies) geprägt. Viele der francobelgischen Comics sind Semi Funnies, so auch Tim und Struppi, Lucky Luke, Asterix, etc.
Alles klar bis jetzt? Unsere Struktur nimmt langsam Formen an. Wir können auch eine geographische Zuordnung einführen und die amerikanischen von den francobelgischen Comics abgrenzen. Mir ist bewusst, dass Comics in der ganzen Welt gezeichnet werden, aber neben dem immensen Output der Japaner an Mangas sind diese beiden anderen die bekanntesten und populärsten bei uns. Jetzt kann man die Kategorisierung verfeinern und Genres einführen.
Eine der heute beliebtesten Arten von Comics ist wohl die mit den Superhelden, also zum Beispiel die Marvel Comics. Die zähle ich zu den realistischen Comics (nicht falsch verstehen, hier geht’s um die Zeichnungen und nicht den Inhalt), obwohl man heute durch den starken Manga Einfluss viele dieser Comics wohl in den Bereich Semi Funnies einordnen müsste. Dann gibt es alle möglichen Abenteuercomics: Western, Krimi, Fantasy, Science Fiction, Horror, etc. Und zu guter Letzt kommen die Biographien, oder zumindest biographisch angehauchten Comics. Diese werden heute oft unter dem Begriff Graphic Novel zusammengefasst, eine Bezeichnung, die ihren Ursprung ganz woanders hat.
Da der Begriff Comics früher immer mit etwas Kindischem, Unseriösen assoziiert worden ist (wird es ja manchmal auch heute noch), griffen alle nur zu gern auf Graphic Novel zurück, eine Bezeichnung, die 1964 in einem amerikanischen Fanzine zum ersten Mal auftauchte. Als Graphic Novel werden meist Comics in Buchform bezeichnet, die original als Bücher erscheinen und nicht schon vorher in Form von einzelnen Comic Heften publiziert wurden. Nachdrucke von gesammelten Heften in Buchform werden in der Regel nur selten Graphic Novels genannt. Na ja, manchmal eben doch. Beispiele sind Watchmen oder V for Vendetta. Irgendjemand hat dann den Begriff Original Graphic Novel oder kurz OGN geprägt. Da ist sonnenklar, dass es eine Originalveröffentlichung ist.
Aber um es einmal ganz deutlich zu sagen: Graphic Novels sind auch nur Comics! Nur weil ich mich Captain Collector nenne, werde ich nicht gleich jemand anderer. Aber der Begriff ist halt sehr trendig geworden, und die Verlage machen von ihm auch lebhaft Gebrauch. Es ist chic, Graphic Novels zu lesen. Da muss man sich nicht outen und „herablassen“, dass man eigentlich Comics liest!
So, jetzt wisst Ihr Bescheid. Es gibt Comics seit etwa 100 Jahren, man kann sie in Zeitungsstrips und Comics unterteilen, in realistische Comics und Funnies. Bei uns im deutschen Sprachraum sind neben den Mangas vor allem die francobelgischen und amerikanischen Comics sehr populär. Es gibt viele Genres, darunter Superhelden von Marvel und DC, Western, Krimi und andere. Die Pseudo Aristokraten unter den Comics nennen sich Graphic Novels und schauen auf den Comic Pöbel hinunter. Aber letztendlich ist es mit den Comics wie im Kino: Ihr wollt doch unterhalten werden, wenn Ihr sie anschaut und lest! Und wenn Ihr dann auch noch anfangt, sie zu sammeln, na dann seid Ihr sowieso rettungslos verloren …
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